01/25/2022 01:27

Reichweite des Ausschlusses der Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat eine Kurzinformation zum Ausschluss des Entschädigungsanspruchs bei Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG infolge fehlender Auffrischimpfung veröffentlicht. Gegenstand der Kurzinformation ist die Frage, ob auch das Fehlen einer COVID-19-Auffrischungsimpfung (sog. Booster-Impfung) zum Ausschluss der Entschädigung für den Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 S. 4 IfSG führt.

Eine Empfehlung der STIKO für die Auffrischungsimpfung liegt vor, die Kommission empfiehlt die Auffrischungsimpfung derzeit für Personen ab dem 18. Lebensjahr mindestens drei Monate nach der Grundimmunisierung. Damit es sich um eine öffentlich empfohlene Schutzimpfung im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG handelt, müssen die obersten Landesgesundheitsbehörden öffentliche Empfehlungen für Schutzimpfungen auf der Grundlage der jeweiligen Empfehlungen der STIKO aussprechen (§ 2 Abs. 3 IfSG).

Die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes unterscheidet für den Ausschluss der Entschädigung nicht zwischen Kontaktpersonen und nachweislich Infizierten. Nach unserer Auffassung kann die in der Kurzinformation dargestellte Rechtsfolge nur für Kontaktpersonen gelten.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG ist Voraussetzung für den Entschädigungsausschluss, dass die Impfung eine Quarantäne verhindert hätte. Das ist bei geboosterten und frisch geimpften Kontaktpersonen der Fall, da diese nach den geänderten Quarantäneregelungen nicht in Quarantäne müssen. Für zweifach geimpfte Kontaktpersonen besteht eine Quarantäneverpflichtung und eine Auffrischungsimpfung hätte die Quarantäne vermieden. Diese erhalten deshalb keine Entschädigung. Infizierte Personen müssen sich isolieren, selbst wenn sie bereits dreifach geimpft sind. Bei einem Infizierten, der zweifach geimpft ist, kann nach unserer Einschätzung nicht mit Sicherheit angenommen werden, dass eine Auffrischungsimpfung seine Infektion und damit die Isolation verhindert hätte. In diesen Fällen müsste nach unserer Auffassung eine Entschädigung gewährt werden. Angesichts der Kurzinformation des Wissenschaftlichen Dienstes ist es sinnvoll, in Zweifelsfällen vor Auszahlung das zuständige Landesamt zu kontaktieren.

Gültigkeit Genesenennachweise und Änderung Johnson & Johnson

Mit Veröffentlichung auf seiner Internetseite (hat das RKI geänderte Vorgaben zu Genesenennachweisen mit Wirkung ab dem 15. Januar 2022 veröffentlicht und deren Gültigkeitsdauer von sechs Monaten auf 90 Tage verkürzt – wir hatten per Newsletter vom 18. Januar 2022 informiert. Weder die Änderungsverordnung noch die Vorgaben des RKI enthalten eine Übergangsregelung für „Altfälle“. Laut einem Sprecher des BMG besteht für ältere Genesenennachweise kein Bestandsschutz, die Regelung zur Verkürzung sei direkt umgesetzt worden und gelte direkt.

Entsprechendes gilt aufgrund der dynamischen Verweisung der Verordnung zur Änderung der Schutzmaßnahmenausnahmeverordnung und der Coronavirus-Einreiseverordnung auch für die vom Paul-Ehrlich-Institut (PEI) geänderten Vorgaben zum Impfschutz mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson. In diesem Zusammenhang hat das Paul-Ehrlich-Institut auch die notwendigen Impfdosen für einen vollständigen Impfschutz mit dem Impfstoff Janssen von Johnson & Johnson erhöht. Hier sind nun für vollständigen Impfschutz zwei Impfungen erforderlich.

Für einen vollständigen Impfschutz war bisher beim Impfstoff Janssen lediglich eine Impfdosis notwendig. Ab sofort sind auch bei diesem Impfstoff zwei Impfstoffdosen Voraussetzung, um als vollständig geimpft zu gelten. Personen, die eine Impfstoffdosis Janssen erhalten und dann eine „Auffrischungsimpfung“ bekommen haben, gelten damit jetzt nicht mehr als „geboostert“, sondern sind lediglich grundimmunisiert. Um als „geboostert“ zu gelten, bedarf es – wie bei den anderen derzeit zugelassen Impfstoffen – einer weiteren Impfung.

Folgen für die Praxis

Diese Änderung hat für Arbeitgeber direkte Auswirkung auf die 3G-Zutrittsbeschränkung zum Betrieb. Sofern ein Beschäftigter lediglich eine Impfdosis mit dem Impfstoff Janssen von Johnson und Johnson erhalten hat, gilt er nicht mehr als vollständig geimpft und muss damit zur Erfüllung der 3G-Vorgaben einen Test vorlegen, um den Betrieb betreten zu dürfen.

Die deutliche Verkürzung der Gültigkeitsdauer von Genesenennachweisen setzt voraus, dass Arbeitgeber sämtliche bereits hinterlegte Nachweise überprüfen und dass Beschäftigte, die z. B. vor vier oder fünf Monaten genesen sind und von einer Gültigkeitsdauer ihres Genesenennachweises von sechs Monaten ausgegangen sind, von heute auf morgen keinen Genesenenstatus mehr haben, sondern nur mit einem negativen Testergebnis oder mit einem Impfnachweis die Arbeitsstätte betreten dürfen. Auch mit Johnson & Johnson geimpfte Beschäftigte müssen einen negativen Test oder eine zweite Impfung oder Genesung nachweisen, um den Betrieb zu betreten. Das erfordert eine erneute Kontrolle durch den Arbeitgeber.

Zukünftig müssen Arbeitgeber die aktuellen Entwicklungen prüfen und den 3G-Zutritt entsprechend anpassen. Datenschutzrechtlich lässt sich vertreten, dass die Erhebung dieser besonderen personenbezogenen Daten(Anzahl der Impfdosen) zur Einhaltung der Verpflichtung nach § 28b IfSG zum Zweck der Zugangskontrollen gedeckt wäre. Sobald das PEI Impfintervalle festlegt, wäre die Erhebung dieses Datums ebenfalls zulässig.

Aufgrund der Kurzfristigkeit der Änderung muss genau wie bei der Neuregelung zum Genesenenstatus den Arbeitgebern unseres Erachtens ein Umsetzungszeitraum zur Anpassung ihrer derzeitigen Prozesse für „3G-am-Arbeitsplatz“ eingeräumt werden, bevor bei Missachtung der Vorgaben ein Bußgeld verhängt werden kann. Um sich rechtssicher zu verhalten, sollten Arbeitgeber sicherheitshalber nunmehr zeitnah ihre Prozesse entsprechend anpassen. Konkret wären derzeit aus unserer Sicht bzgl. der Beschäftigten, deren Impfstatus bisher für den Zugang zum Betrieb gespeichert wurde, folgende Handlungsoptionen möglich:

  • Nochmalige Kontrolle aller Beschäftigten, deren Impfstatus bisher für den Zugang vermerkt wurde. Ohne Vorlage eines gültigen Impfnachweises darf der Zugang nur mit negativem Test erfolgen.
  • Hinweis an die Beschäftigten, deren Impfstatus gespeichert wurde:
    • neue Faktenlage hinsichtlich des Impfstoffes Janssen
    • Klarstellung, dass Beschäftigte, die durch die Änderung der erforderlichen Anzahl der Impfdosen nicht mehr als grundimmunisiert gelten, ab sofort ohne tagesaktuellen negativen Coronatest den Betrieb nicht betreten dürfen.
    • Informationspflicht gegenüber dem Arbeitgeber bzgl. des nicht mehr gültigen Janssen-Impfnachweises, damit die beim Arbeitgeber gespeicherten Daten gelöscht werden können.
    • Soweit auf eine nochmalige Kontrolle verzichtet wird, sind jedenfalls Stichprobenkontrollen durchzuführen, um den Kontrollvorgaben nach § 28b Abs. 3 IfSG gerecht zu werden.

Die Abfrage nach dem Impf- oder Genesenenstatus bei den Beschäftigten ist datenschutzrechtlich noch nicht abschließend geklärt. So führt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) aus, dass es, um den Grundsatz der Datenminimierung nach Artikel 5 Abs. 1 Buchstabe d Datenschutzgrundverordnung zu wahren, ausreichend ist, am jeweiligen Kontrolltag die Vor- und Zunamen der Beschäftigten auf einer Liste „abzuhaken“, wenn der jeweilige Nachweis durch die Beschäftigten erbracht ist. Daher erscheint es grundsätzlich nicht erforderlich, Impfnachweise, die Beschäftigte vorgelegt haben, zu kopieren.

Soweit Arbeitgeber gleichwohl eine Kopie erstellen, um der Nachweispflicht gegenüber der Arbeitsschutzbehörde nachzukommen, empfiehlt es sich, von den Beschäftigten eine Einwilligungserklärung einzuholen. Mit einer solchen „Einwilligungserklärung zur Hinterlegung des Impf- oder Genesenenstatus beim Arbeitgeber“ erklären Beschäftigte ihr Einverständnis zur Erstellung einer Kopie oder zur Abspeicherung einer Kopie des Impf- oder Genesenenstatus sowie zur Vorlage der gespeicherten Nachweise durch den Arbeitgeber gegenüber den zuständigen Kontrollbehörden. Voraussetzung ist, dass diese Einwilligungserklärung von den Beschäftigten freiwillig abgegeben wird. Anbei finden Sie dazu ein entsprechendes Muster.

Anlage

Dokumenttitel Typ Größe
MUSTER Einwilligungserklärung_Impf_Genesenenstatus.docx

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