02/10/2022 12:15

Ergänzend zu den Ausführungen des bereits vor längerer Zeit übersandten Gesamtmetall-Leitfadens zur Betriebsratswahl 2022 (nochmals als Anhang beigefügt) ist bzgl. der Frage der Briefwahl für alle als pandemiebedingte Ausnahme die folgende Empfehlung zur Briefwahl bei Homeoffice entstanden.

Durch die von Gesamtmetall durchgeführte Befragung zur geplanten praktischen Umsetzung der Betriebsratswahl in den Betrieben, konnten auf Grundlage zahlreicher Rückmeldungen die Risiken im Zusammenhang mit einer Briefwahl bei Mitarbeitern im Homeoffice nochmals geprüft werden. Wir stellen Ihnen daher die weitergehenden Erläuterungen von Gesamtmetall vor:

1. Briefwahl für alle

Es herrscht zunächst Einigkeit darüber, dass von einer generellen Briefwahl für alle Beschäftigten – ungeachtet des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen – dringend abzuraten ist. Eine Briefwahl ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 WO ist unzulässig und begründet einen Wahlanfechtungsgrund (vgl. BAG v. 27.01.1993 – 7 ABR 37/92). Bedauerlicherweise hat sich der Verordnungsgeber trotz entsprechender Forderungen der BDA nicht dazu durchringen können, eine (befristete) Regelung auf den Weg zu bringen, die angesichts der weiter andauernden Pandemielage eine Briefwahl für alle vorsieht.

2. Ausschließliche Briefwahl für Beschäftigte in mobiler Arbeit

Beschäftigte, die mobil arbeiten, sind unseres Erachtens unter § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO zu sub-sumieren. Sie zählen unserer Auffassung nach zu der Beschäftigtengruppe, die wegen der Eigenart ihrer Beschäftigung voraussichtlich bei der Wahl nicht anwesend sein wird. Wann die Abwesenheit auf der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses beruht, ist in Abs. 2 nur beispielhaft umrissen.

Mobile Arbeit zeichnet sich dadurch aus, dass die Beschäftigten ganz oder teilweise an selbst gewählten Orten arbeiten, in der aktuellen Pandemiesituation derzeit überwiegend zu Hause. Ob der Wahlvorstand den Beschäftigten, die mobil arbeiten, die Briefwahlunterlagen nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO von sich aus zusenden muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

Grundsätzlich gilt, dass § 24 Abs. 2 Nr. 1 WO nicht auf Telearbeit im engen Sinne des § 2 Abs. 7 ArbStättV beschränkt ist. Auch mobile Arbeit kann also erfasst sein. Dabei dürfte aus unserer Sicht unerheblich sein, ob die mobile Arbeit auf der aktuell geltenden Homeoffice-Regelung des § 28b Abs. 4 IfSG oder aufgrund einzelvertraglicher oder kollektivrechtlicher Vereinbarung beruht. Dabei gilt:

  • Beschäftigten, die vollständig mobil oder von zu Hause aus arbeiten, sind die Briefwahlunterlagen ohne gesonderten Antrag seitens des Wahlvorstandes von Amts wegen zuzusenden. Aufgrund des Tatbestandsmerkmals "voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend" ist § 24 Abs. 2 WO für den dort genannten Personenkreis im Zweifel stets anzuwenden, denn die Möglichkeit der Teilnahme an der Wahl überhaupt ist jedenfalls im Verhältnis zum Vorrang der persönlichen Stimmabgabe das schützenswertere Rechtsgut (vgl. Fitting, WO 2001, 30. Aufl. 2020, § 24 WO Rn. 14 mit Verweis auf BAG v. 20.02.1991 - 7 ABR 85/89).
  • Nicht abschließend beurteilt werden kann die Situation, wenn die Mitarbeiter hybrid arbeiten. Damit sind Fälle gemeint, in denen Mitarbeiter an einzelnen Tagen im Betrieb arbeiten, im Übrigen ihre Tätigkeit aber mobil oder zu Hause etc. ausüben. Ob hierbei ein Überwiegen der mobilen Arbeit erforderlich ist, um eine Briefwahl von Amts wegen i.S.d. § 24 Abs. 2 WO anzunehmen und welche Anforderungen an ein Überwiegen der mobilen Arbeit zu stellen wären, kann derzeit nicht rechtssicher beantwortet werden. Überwiegen soll die mobile Arbeit etwa dann, wenn Arbeitnehmer nur einen Tag in der Woche den Betrieb aufsuchen (vgl. unter https://www.bund-verlag.de/aktuelles~Aenderungen-bei-der-Briefwahl-~.html). Aufgrund der derzeit herrschenden Pandemiesituation dürfte die Mehrzahl der mobil tätigen Arbeitnehmer ohnehin nur gelegentlich in den Betrieb kommen, so dass ein Überwiegen angenommen werden kann. In unklaren Grenzfällen, bei denen die Arbeitnehmer öfter den Betrieb aufsuchen, kann sich aus Gründen der Vorsicht anbieten, die parallele Möglichkeit der persönlichen Stimmabgabe zu eröffnen (dazu sogleich unter 3.).

Das führt im Ergebnis dazu, dass in reinen Verwaltungsbetrieben, in denen die gesamte Belegschaft unter eine – ggf. pandemiebedingte – Regelung zur ausschließlichen oder zumindest weit überwiegenden mobilen Arbeit fällt, umfassend von der Briefwahl Gebrauch gemacht werden kann.

In reinen Produktionsbetrieben, in denen die Tätigkeiten nur in den Betrieben ausgeführt werden können, muss wie gewohnt eine Betriebsratswahl in Präsenz angeboten werden. In Mischbetrieben ist entsprechend zwischen Mitarbeitern im Homeoffice und Produktionsmitarbeitern zu unterscheiden und ersteren die Briefwahl, letzteren die Präsenzwahl zu ermöglichen.

3. Parallele Möglichkeit der persönlichen Stimmabgabe

Es ist im Übrigen auch zulässig, dass Mitarbeitern, an die Briefwahlunterlagen aus den unter 2. genannten Gründen zu versenden sind, daneben auch die persönliche Stimmabgabe im Wahlraum bzw. der Wahlurne ermöglicht wird (Fitting, WO 2001, 30. Aufl. 2020, § 24 WO Rn. 16). Ein solches Vorgehen ist in der Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz zwar nicht ausdrücklich vorgesehen, beschneidet den Arbeitnehmer aber nicht in seinen Rechten, sondern bietet ihm eine zusätzliche Wahloption. Der Vorteil ist hierbei, dass auch Situationen berücksichtigt werden, in denen Mitarbeiter nicht überwiegend oder ausschließlich in mobilen Arbeiten tätig sind (vgl. unter 2.). Sollten sich diese Mitarbeiter am Tag der Wahl im Betrieb befinden, können diese alternativ auch in Präsenz wählen. Dabei ist allerdings selbstverständlich darauf zu achten, dass die Stimmabgabe nur einmal erfolgt.

4. Hinweis auf individuelle Briefwahl auf eigenes Verlangen

Ratsam ist darüber hinaus, alle Mitarbeiter darauf hinzuweisen, dass sie unter den Voraus-setzungen des § 24 Abs. 1 BetrVG auf ihr Verlangen hin per Briefwahl an der Betriebsratswahl teilnehmen können, wenn sie wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind, ihre Stimme persönlich abzugeben. Typische Abwesenheitsgründe sind insbesondere Dienstreisen, Urlaub und Arbeitsunfähigkeit. Auch eine Abwesenheit aufgrund mobiler Arbeit ist unseres Erachtens von Abs. 1 erfasst. Eine Briefwahl aus Bequemlichkeit soll dagegen nicht darunter fallen. Bei einer solchen Vorgehensweise wäre auch dem Risiko entgegengewirkt, dass Mitarbeiter im Homeoffice versehentlich nicht bei der Versendung von Amts wegen nach § 24 Abs. 2 WO berücksichtigt worden sind.

Anlage

Dokumenttitel Typ Größe
ME-Leitfaden Betriebsratswahlen 2022.pdf

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